FRAUEN und FRAGEN ⟨I⟩

von Amina Gusner

FRAUEN und FRAGEN ⟨II⟩  I   FRAUEN und FRAGEN ⟨III⟩

werde ich eine gute Mutter sein?
werde ich genug Milch haben?
werde ich alles richtig machen?
werde ich dabei eine gute Frau bleiben?
werde ich trotz tropfender Brüste sexy und begehrenswert sein?
werde ich mal eine Nacht länger als drei Stunden hintereinander schlafen?
werde ich von Anderen kritisch betrachtet, weil ich mir meine Haare nicht gewaschen habe?
werde ich wie vielleicht wie meine Mutter sein?
werde ich am Morgen hübsch angezogen mit gekämmten Kind einen guten Eindruck machen?
werde ich es schaffen ein aufwendiges Essen zu bereiten, auch wenn das Kind einen schlechten Tag hat?
werde ich meinen Mann halten können?
werde ich genug sein?
werde ich vielleicht zu bemutternd sein?
werde ich nicht mütterlich genug sein?
werde ich wach genug sein, um meinem Mann zuzuhören und danach noch seine bekleckernden Hemden waschen können?
werde ich irgendwann mal wieder ausgeschlafen sein?.

Und als dann noch die Waschmaschine kaputt ging, wusste ich, ab jetzt geht’s bergab.


Damals im Osten in den Achtzigern

Als ich schwanger war und mich in der Klinik untersuchen lassen wollte, da ich gestürzt war, sollte ich im „Muttizimmer“ warten. Ich sollte mich auf eine Liege legen, man würde mich dann holen. Ich verstand nicht was man meinte. Welche Mutti? War meine Mutter etwa auch hier? Und wieso hat die hier ein Zimmer?
Die Schwester verdrehte die Augen und führte mich unwirsch in einen Raum mit Frauen, die demnächst entbinden würden oder gerade entbunden hatten und dort in schmalen Betten, wie verwundete Soldaten kampierten. Verwundet durch kommende Babys! Die Bäuche ragten riesig aus den Betten, zeigten unsere Gemeinschaft an. Keine Frauen mehr, sondern Muttis. Aber das war alles vor der Wende, heut ist das sicher viel besser und ganz anders. Doch ich wurde nach diesen Erlebnissen- davon gabs noch einige- mutlos und beschloss Krankenhäuser grundsätzlich zu meiden.


SCHÖNSEINMÜSSEN

Meine Mutter hat mir erzählt, dass sie während ihrer Schwangerschaft mit mir immer gebetet hat, dass ich schön werde. „Mach lieber Gott, dass wenn ich eine Tochter kriege, sie sehr schön werden. Sie kann ruhig etwas dumm sein, Hauptsache sie wird schön.“ Ich fragte empört, wieso sie wollte, dass ich etwas dumm sei. Da schaut sie mich erstaunt an und sagte: „Ich wollte eben, dass du es mal leichter haben wirst als ich, das wünschen doch alle Mütter ihren Kindern. Das ist normal!“


keine Schwäche zeigen

Ein Streit mit meinem Mann.

Wir gehen spazieren. Es gelingt mir nicht zu sagen, dass mir seine Nähe fehlt, weil er so gut wie nie da ist. Stattdessen greife ich ihn an und sage, dass er ja wohl am besten alleine leben sollte, da er eh nie anwesend ist. Er ist empört und ein blödes Wort gibt das Andere. Dann schweigen wir beide völlig vereist. Jetzt habe ich noch weniger Nähe zu meinem Mann. Wir gehen beide sehr einsilbig weiter. Viel Abstand voneinander, innen und außen, und dann renne ich auch noch fast gegen das Auto, weil blind vor Wut nämlich nicht irgendeine Metapher ist, sondern real. Es tat höllisch weh. Aber das war alles innen, außen hat man mir nichts angemerkt. Ich bin einfach weitergelaufen und hab die Tränen runtergeschluckt.


zusammenleben

Wir haben ja alle so Vorstellungen. Klar. Aber.
Zwar versteht jeder etwas von Liebe,
doch es ist nie das Gleiche.
Daher wohl so viele Missverständnisse.
Bei ihm war es klar, er war enttäuscht. Von mir.
Das sind Viele. Ich auch. Leider.
Er hatte eine ganz genaue Vorstellung von Liebe und Beziehung.
Doch die habe ich nicht erfüllt.
Das wusste ich schon lange, doch nach dem Umzug war ganz klar, dass meine und seine Vorstellungen vom Zusammenleben nicht zusammen gingen.